Voice over IP


In der Telefonietechnik ist ein gravierender Umbruch eingeleitet worden. Die herkömmliche Telefonie mit ihrer direkten  Verbindung zwischen zwei Teilnehmenden im Netz wird durch eine paketvermittelnde Technik abgelöst. Diese Paketvermittlung wird auf Basis des Internet Protocol (IP) realisiert.

Aktuelle Situation der Technik.

Bei der Paketvermittlung werden die Informationen nicht mehr "am Stück" versandt, sondern in einzelnen Teilen. Bei der Übertragung in einem Weiterverkehrsnetz (Internet, Telefonnetz) treten dann Effekte auf, die in der herkömmlichen Telefonie nicht möglich waren. Diese Effekte sind beispielsweise Paket- und damit Datenverlust, Änderung der Paketreihenfolge oder zeitliche Verzögerung. Diese Effekte sind bei einem Dateitransport ausgleichbar, führen aber bei einer Echtzeitkommunikation wie der Sprachkommunikation zu Problemen. Das Internet Protocol (IP) kennt zudem keine Mechanismen, diese Effekte zu korrigieren!

Die Umstellung auf diese Technologie (IP) wird durch die Netzanbieter vorangetrieben, da die herkömmliche Telefonietechnik auf Basis von ISDN technologisch veraltet ist. Sowohl Fachleute als auch Ersatzbeschaffungen sind bei ISDN kaum noch im Markt vorhanden. Zudem wird kaufmännisch betrachtet der Erfolg der Unternehmen mit Internet-Lösungen  sichergestellt. Die doppelte Pflege eines Telefonnetzes und einer Telefonie über das Internet ist auf Dauer aufwendig.

Aktuell (Stand: 2017) werden die ISDN-Anschlüsse durch die Netzbetreiber gekündigt und die Kunden müssen auf die Telefonielösung im Internet, Voice over IP (VoIP), umstellen. Dieser Prozess, durch die Deutsche Telekom AG angestoßen, wird in Deutschland vermutlich 2025 bei allen weiteren Anbietern abgeschlossen sein.

Für die Handwerksbetriebe bedeutet das zum einen, dass das Nutzungsverhalten der herkömmlichen Telekommunikationslösungen überdacht werden muss. Damit einher gehen auch technologische Umbauten und Investitionen, um den Wechsel auf eine VoIP-Lösung effizient zu gestalten. Insbesondere bewährte Telekommunikationslösungen abseits der Telefonie wie z.B. Fax oder Alarmierungsgeräte sind auf Funktion am IP-Anschluss sorgfältig zu prüfen. Einige dieser Lösungen werden ihre Zuverlässigkeit bis zum Totalausfall verlieren. Alternativen sind rechtzeitig bereitzustellen, um den Unternehmenserfolg nicht zu gefährden.

Zum anderen sind Unternehmen gefordert, Fachbetriebe zu finden, die eine Umstellung von der Planung bis zur Fertigstellung begleiten. Hier zeigt sich jedoch, dass der Fachkräftemangel in der handwerklichen Informationstechnik ein gefährliches Hindernis darstellt. Dies wird dadurch verstärkt, dass die Tk-Anbieter unter Fristsetzung die Anschlüsse kündigen und viele Betriebe von der Umstellung und ihren Folgen überrascht werden.

Beschreibung der Technologie.

Das Telefonieren über das Internet Protocol (VoIP) unterscheidet sich deutlich von der ISDN-Technik. Während ISDN speziell für die Telefonie (Sprachkommunikation) entwickelt wurde, ist VoIP erst nachträglich in das IP eingebaut worden. In der  Praxis hat sich ISDN daher als sehr stabiles und qualitativ hochwertiges Sprachkommunikationssystem bewährt. Das führte dazu, dass es auch für andere Kommunikationssysteme wie FAX-Übertragungen oder Anbindungen von Alarmanlagen genutzt wird.

Bei VoIP heißt es Voice over IP, was bedeutet, dass das IP-Netz zunächst funktionieren muss, bevor eine Sprachübertragung möglich wird. Damit ist die technische Komplexität einer VoIP-Lösung gegenüber ISDN um mehrere Faktoren und damit Fehlerquellen gewachsen. Eine VoIP-Lösung realisiert nur Sprach- und Videoverbindungen. FAX-Übertragungen oder Anbindung an Alarmanlagen sind konzeptionell nicht vorgesehen und funktionieren daher auch nicht zuverlässig. Hier müssen neue, alternative Wege der Kommunikation beschritten werden.
Bei VoIP wird die Verbindung auf die gleiche Art hergestellt wie bei einer WWW- oder E-Mail-Verbindung. Jedes Gerät braucht also zunächst eine IP-Adresse wie der klassische PC. Anschließend wird das VoIP-Programm gestartet und die Telefonieverbindung kann aufgebaut werden. Die Funktionsweise eines E-Mail-Programms ist zum Vergleich der Methoden gut geeignet.

Damit die Telefonie funktioniert, wird in der Regel eine VoIP-Telefonanlage benötigt. Sie verbindet die Kennung des Nutzers (Telefonnummer bzw. Account/Nutzerkennung) mit der IP-Adresse, unter der dieser erreichbar ist. Diese "Auskunftsfunktion" setzt voraus, dass sich der Nutzer vorher bei der Anlage angemeldet hat. Dieser Vorgang wird als Registrierung und die VoIP-Telefonanlage daher auch gern als Registrar bezeichnet.

Nutzen der Technologie. Neben der zunächst höheren Komplexität der VoIP-Lösung ergeben sich jedoch auch viele Nutzenaspekte.

1.  Physikalische Anschluss-Freiheit.
VoIP setzt voraus, dass die IP-Adresse des Telefons erreichbar ist. Wo das Telefon nun physikalisch angeschlossen ist,  spielt keine Rolle. Das bedeutet, dass, wenn die Telefonanlage weltweit eindeutig mit der IP-Adresse erreichbar ist, auch jedes  Endgerät weltweit daran betrieben werden kann. Die direkte, kabeltechnische Anbindung, wie bei ISDN üblich, entfällt. Dieser Aspekt unterstützt beispielsweise Home-Office-Arbeitsplätze oder mobile Mitarbeiter.

2.  Physikalische Geräte-Freiheit.
VoIP erfordert kein spezielles Gerät. Zwar muss es ein IP-fähiges Gerät sein, aber ob es ein Telefonapparat, ein PC, ein Tablet, ein Smartphone oder ein sonstiges Gerät ist, bleibt dem Nutzer überlassen.

3.  Rufnummern – Geräte-Freiheit.
Je nach VoIP-System kann einem einzigen Gerät eine nahezu beliebige Anzahl an Rufnummern zugewiesen werden.

4.  Geräte – Rufnummern-Freiheit.
Je nach VoIP-System kann einer einzigen Rufnummer eine beinahe beliebige Anzahl an Geräten zugewiesen werden.

5.  Gespräche gleichzeitig.
Je nach VoIP-System können nahezu beliebig viele Gespräche gleichzeitig geführt werden. Eine Beschränkung auf die Anschlussart, wie bei ISDN notwendig, gibt es hier nicht.

6.  Integration in die Netzwerktechnik.
Ein VoIP-System kann nahtlos in die EDV-Landschaft der Betriebe integriert werden. Die Verzahnung mit Branchensoftware, Kundendatenbanken, Lieferantensystemen u. Ä. ist nahezu beliebig möglich. Hierdurch lassen sich die betrieblichen Prozesse deutlich effizienter gestalten und die Produktivität steigern. Was im Einzelnen sinnvoll ist, hängt vom jeweiligen Betrieb ab.

Entwicklungstendenzen.

Das in naher Zukunft abgeschaltete ISDN ist gleichzeitig auch technologische Basis für das Mobilfunksystem GSM gewesen. Erste Anbieter haben daher schon angekündigt, dass auch das GSM-Netz innerhalb der nächsten zehn Jahre abgeschaltet wird bzw. abgeschaltet werden muss. Auch hier wird eine IP-Integration im Funkbereich mit den Systemen der 4. Generation (4G = LTE) und deren Nachfolgetechnik nachdrücklich vorangetrieben.

Es ist daher ratsam, sich mit VoIP zu befassen, da es bei diesem System keine Rolle spielt, wie die Geräte angeschlossen sind. Der Wegfall von GSM lässt sich dann einfach und komfortabel kompensieren.

Relevanz für das Handwerk.

Tatsache ist, dass ISDN abgeschaltet wird und VoIP kommt. Betriebe aus jedem Gewerk können hieraus ihren Nutzen ziehen. Neben der technologischen Vereinfachung der Netzwerklösungen können die betrieblichen Prozesse durch VoIP eine  Effizienzsteigerung erfahren.

Die Geschwindigkeit, mit der die Umstellung erfolgt, führt dazu, dass viele Betriebe überfordert sind, die Umstellung ordentlich zu planen und durchzuführen.

Erschwerend kommt hinzu, dass im Markt, insbesondere in den handwerklichen Strukturen, kaum Fachbetriebe verfügbar sind, um die Umstellung beratend und praktisch zu begleiten. Ein Grund hierfür ist der Fachkräftemangel, aber auch die  mangelnde Besetzung des Marktes durch das Handwerk grundsätzlich.

Es ist daher zu vermuten, dass die Umstellungen in der Regel durch provisorische Lösungen geprägt sein werden und die Nutzenpotenziale von VoIP und damit auch der Digitalisierung mittels IP-Technologien noch einige Jahre nicht ausreichend erfasst und ausgeschöpft werden können.


Download:

  Factsheet: Voice over IP

Ansprechpartner

Melanie Stephan

Bundestechnologiezentrum für Elektro- und Informationstechnik e.V.
Schaufenster Oldenburg des Mittelstand-Digital Zentrums Handwerk


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