Viele mittelständische Unternehmen haben Prozesse oft unzureichend dokumentiert. Führungskräfte und Betriebsinhaber wissen in diesen Fällen nicht, wie der Prozess in der Realität tatsächlich abläuft. Durch das Modellieren, d. h. das grafische Aufbereiten eines Prozesses, lassen sich Schwachstellen aufdecken und Optimierungspotenziale sichtbar machen. Im Folgenden erklären wir, wie Sie Ihre Prozesse mit wenig Aufwand analysieren, modellieren und optimieren.
Themenheft: Betriebsprozesse im Handwerk modellieren und optimieren
Im ersten Schritt bedeutet Prozessmodellierung die Erfassung, Dokumentation und grafische Aufbereitung existierender Geschäftsprozesse. Prozessmodelle können komplexe Geschäftsprozesse nachvollziehbar abbilden und das Prozessverständnis dadurch steigern.
Ziel einer solchen Analyse ist stets die einmalige oder, im Idealfall, die kontinuierliche Optimierung der Geschäftsprozesse. Die Prozessmodellierung ist ein effektives Instrument zur systematischen Erfassung aller für die einzelnen Prozesse notwendigen Aktivitäten und wie diese mit Blick auf die Unternehmensstrategie zielgerichtet aufeinander abgestimmt werden können.
Betriebe, die Ihre Prozesse analysieren, profitieren von vielen Vorteilen:
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Was sind Prozesse? Ein Prozess beschreibt die Arbeitsschritte, die nötig sind, um ein Ziel zu erreichen, z. B. das Erstellen einer Rechnung oder eines Produkts. Technisch ausgedrückt ist ein Prozess eine logische Verkettung miteinander verknüpfter und sich gegenseitig bedingender Arbeitsschritte, die aus einem Input einen Output erzeugen.
In Ihrem Betrieb gibt es drei verschiedene Prozessarten, die Sie im Blick behalten sollten:
Kernprozesse tragen wesentlich zum Betriebserfolg und zur Kundenzufriedenheit bei, da durch sie Produkte oder Dienstleistungen erzeugt werden. Charakteristisch ist der direkte Kundenbezug. Der Kunde ist bereit, für den Output des Prozesses zu bezahlen. | |
Unterstützungsprozesse begleiten die Kernprozesse, liefern Daten und Informationen oder regeln verwaltungstechnische Abläufe. Sie sind nicht unmittelbar wertschöpfend. Unterstützende Prozesse können anders als Kernprozesse häufig eindeutig einer Abteilung oder Rolle zugeordnet werden. Beispiele sind Buchhaltung, Einkauf und Datenmanagement. | |
Managementprozesse dienen der strategischen und operativen Planung, Steuerung und Messung des Betriebs. Sie werden daher auch Steuerungs- bzw. Führungsprozesse genannt. Beispiele sind Personalplanungs-, Betriebsplanungs- und Zielvereinbarungsprozesse sowie die Wahrnehmung gesetzlicher Unternehmerpflichten. |
Zunächst wird eine Prozesslandkarte erstellt. Das Ziel einer solchen Karte besteht darin, eine Übersicht über alle bestehenden Prozesse zu gewinnen und zu erkennen, wie diese grob zusammenhängen. Die einzelnen Prozessschritte werden hier noch nicht berücksichtigt.
Eine Prozesslandkarte ist die individuelle Darstellung der Geschäftsprozesse des jeweiligen Unternehmens. Bei der Erstellung sind folgende Regeln zu beachten:
Sie haben eine Prozesslandkarte erstellt? Sehr gut. Nun folgt die Modellierung der einzelnen Prozesse. Es geht darum, Aktivitäten, Beteiligte, Systeme und Entscheidungen in Arbeitsabläufen grafisch abzubilden. Der Prozess stellt eine Ordnung dieser Aktivitäten über Zeit und Raum dar, hat einen Start- und Endpunkt sowie eindeutig festgelegte Inputs und Outputs.
Es wird nachvollziehbar und eindeutig beschrieben, wer was wann tut und welches Ereignis dem vorausgegangen ist. Alle, die an einem Prozess beteiligt sind, müssen verstehen können, was notwendig ist, um aus dem Zustand zu Beginn eines Prozesses („vorher“) ein beabsichtigtes Endergebnis zu erzielen („nachher“). Wie detailliert man seine Prozesse modellieren möchte, ist Geschmackssache und hängt von den am Optimierungsvorhaben beteiligten Personen ab.
Zur Modellierung eines bestimmten Prozesses starten Sie am besten mit einem Prozessaufnahmebogen, der gezielt alle wichtigen Informationen hinter einem Prozess abfragt. Im Folgenden finden Sie einen exemplarischen Prozessaufnahmebogen, den Sie gerne verwenden können.
Laden Sie den Prozessaufnahmebogen hier als PDF zum Ausdrucken herunter. |
Nachdem Sie den Prozessaufnahmebogen ausgefüllt haben, erstellen Sie ein operatives Prozessmodell, in dem physisch konkret und detailliert dargestellt wird, welche Rollen, Geschäftsobjekte, Systeme, Maschinen, Ressourcen etc. am Prozess beteiligt sind und wie sie sich zueinander verhalten. Des Weiteren wird auch visuell festgehalten, wie sich der Prozess verhält, wenn vom Idealfall abweichende Ereignisse eintreten. Das operative Prozessmodell ist die Grundlage für die Analyse und Optimierung des jeweiligen Prozesses.
Halten Sie im Prozessmodell unter anderem fest:
Tipp: Je genauer der Prozess definiert ist und je detaillierter die Aktivitäten benannt sind, desto besser lassen sich im Nachhinein Schwachstellen erkennen und Optimierungen vornehmen.
Beispielprozess mit verschiedenen Auslöser-Ereignissen:
Beispielprozess mit Einbindung von Externen:
Sobald die Prozesse erfasst und modelliert wurden, beginnt die Suche nach möglichen Schwachstellen. Hierbei gilt: Je detaillierter der Prozess aufgezeichnet wurde, desto besser und schneller werden ineffiziente Arbeitsschritte erkannt.
Sprechen Sie den modellierten Prozess immer gemeinsam mit mehreren Mitarbeitenden durch. So erkennen Sie, ob bestimmte Arbeitsschritte von manchen Mitarbeitenden möglicherweise anders durchgeführt werden. Ziehen Sie auch externe Personen hinzu, da diese einen frischen, unvoreingenommenen Blick auf die Prozesse haben. So werden Unstimmigkeiten schneller erkannt.
Nachdem die Schwachstellen entdeckt wurden, wird für jede der notwendige Handlungsbedarf beschrieben: Wie dringend ist die Fehlerbehebung? Welche Potenziale ergeben sich, wenn die Schwachstelle behoben wird?
Suchen Sie nach Schwachstellen vor allem in drei Kategorien:
1. Prozessqualität
Der Prozess erfüllt nicht die definierten Effizienz- oder Effektivitätsziele. In anderen Worten: Prozessschritte verbrauchen zu viele Ressourcen, binden zu viele Mitarbeitende oder der Prozess erzielt am Ende nicht den gewünschten Output.
2. Prozesszeit
Wenn ein Prozess zu viel Zeit benötigt, kann das viele Gründe haben. Möglicherweise sind einzelne Prozessschritte ineffizient oder komplett unnötig. Häufig sind auch zu lange Bearbeitungszeiten, Transportzeiten, Liegezeiten oder Rüstzeiten die Ursache.
3. Prozesskosten
Mit einem Prozess verbundene Kosten wie Personaleinsatz, Maschineneinsatz, Lizenzkosten, Ausschüsse oder fehlende Effizienz beim Energie- und Materialeinsatz sind häufige Ursachen für einen zu teuren Prozess. Es lohnt sich, eine Prozesskostenrechnung durchzuführen, um eine vertretbare Kostenhöhe zu definieren, die nicht überschritten werden sollte.
Weitere typische Schwachstellen:
Tipp 1: Sprechen Sie mit den verantwortlichen Mitarbeitenden, bevor Sie einen Prozess in der Praxis abändern. So stellen Sie sicher, dass die geplanten Änderungen auch sinnvoll und umsetzbar sind. Sprechen Sie auch mit Mitarbeitenden von vor- und nachgelagerten Prozessen. Häufig betrachten alle nur ihren eigenen Teil des Arbeitsprozesses, ohne die Auswirkungen auf die Arbeit anderer zu berücksichtigen.
Tipp 2: Besteht die Möglichkeit einer Automatisierung bzw. Digitalisierung von Arbeitsschritten (z. B. automatisches Versenden der Bestelleingangsbestätigung)?
Tipp 3: Haben Sie alle Schwachstellen erkannt, ist es sinnvoll, diese zu priorisieren und die Umsetzung fest zu terminieren. So stellen Sie sicher, dass die Unternehmensprozesse tatsächlich optimiert werden.
Durch Digitalisierung können Arbeitsschritte automatisiert, vereinfacht und beschleunigt werden. Außerdem wird die Qualitätssicherung verbessert, z. B. durch automatische Erinnerungssysteme bei der Überwachung von Zahlungseingängen. Dank eines passgenauen, digitalisiert gesteuerten Betriebs von Maschinen können langfristig enorme Kosten eingespart werden, z. B. bei der Vermeidung von Verschnitt im holzverarbeitenden Bereich.
Prozessmodelle werden neben textlichen Ablaufbeschreibungen in aller Regel mithilfe von grafischen Modellierungssprachen, sog. Notationen, erstellt. Diese Notationen bestehen aus einer festgelegten Menge an verschiedenen Symbolen, von denen jedes eine definierte Bedeutung hat. Auf diesem Weg lassen sich Prozesse deutlich kompakter beschreiben als in Textform.
Ein Instrument, das diese standardisierte Erstellung von Prozessmodellen ermöglicht, ist der internationale Standard der Prozessmodellierung, BPMN 2.0 (Business Process Model and Notation). BPMN ist eine der genannten grafischen Modellierungssprachen (Notationen) und ermöglicht die Erstellung von standardisierten Prozessmodellen, die sowohl von Fachabteilungen und IT-Abteilungen als auch von externen BeraterInnen gelesen werden können.
Themenheft: Betriebsprozesse im Handwerk modellieren und optimieren